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Geschichte

Wie eine Sammellinse bündelt die Villa Lentz die Geschichten der historischen bürgerlichen Villen in Szczecin. Von der Residenz eines Fabrikanten – Beleg für die Pracht und den Prunk seines Schöpfers, über einen modernen bürgerlichen Salon – ein für die Geschichte des privaten Kunstsammelns bedeutender Ort, dann eine Kaserne und ein Schutzraum – Quartier der Wehrmacht und dann der Roten Armee, zeitweiliger Sitz der Kirchenverwaltung – ein angedachter Bischofspalast, bis hin zu einer öffentlichen Einrichtung – „Jugendpalast“, der der Erziehung im Geiste des Sozialismus dienen sollte, in der Praxis ein Ort der schöpferischen Arbeit und ein Objekt sentimentaler Erinnerungen vieler Generationen von Stettinerinnen und Stettinern.
Die Geburt eines Stadtteils
Die Geschichte des heutigen Stadtteils Pogodno beginnt am 6. Juli 1871, als einflussreiche Stettiner Unternehmer – Johann Quistorp, sein Sohn Martin, Heinrich C. Burmeister, August Horn und Ernst Petzold eine Baugesellschaft mit dem Namen „Westend“ (Gesellschaft Westend Stettin Bauverein auf Aktien) gründeten. Das Ziel der Gesellschaft war Parzellierung und Verkauf großer Flächen entlang der Falkenwalder Straße im Vorfeld der Stettiner Festung. Die Kunden der Firma waren die wohlhabendsten Vertreter der Stettiner Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Kaufleute, Fabrikanten und wohlhabende Rentner. So entstand bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Gelände des ehemaligen Gutes Friedrichshof ein repräsentatives Wohnviertel mit herrschaftlichen Villen mit großzügigen Gartenanlagen. Der neue Stadtteil erhielt den traditionellen Namen „Westend“, der eine Anspielung auf das westliche, wohlhabende Viertel Londons und viele ähnliche Siedlungsprojekte in westeuropäischen Städten war.

Der wahr gewordene Traum eines Neureichen
Einer der Kunden der Firma „Westend“ war August Lentz (1830-1895), der für sich und seine Familie ein Wohnhaus bauen wollte, das seinem hart erkämpften sozialen Status entsprach. August Lentz war ein erfolgreicher Mann, ein echter „self-made man“, der dank seiner Fähigkeiten und seines Fleißes die Leiter des Stettiner Bürgertums hinaufgestiegen ist – vom einfachen Mechaniker in der Fabrik von A.H. Zander zum Aktionär, Direktor und eigentlichen Schöpfer der Macht der „Stettiner Chamotte Fabrik Aktien Gesellschaft vorm. Didier“. Die erreichte Position und der materielle Status veranlassten ihn, an einen repräsentativeren Wohnort zu ziehen. 1890 zog er mit seiner Familie (Ehefrau und der unverheirateten Tochter Margareta) von der Werkswohnung auf dem Gelände seiner Fabrik im heutigen Stadtteil Pomorzany in eine neu erbaute, prächtige Villa in Westend.

Das von dem jungen, in Leipzig ausgebildeten Architekten Max Drechsler (1857-1892) entworfene Wohnhaus macht einen imponierenden Eindruck. Die Ziegel- und Steinfassaden erinnern an die barocke Palastarchitektur. Die Villa im akademischen Stil des „zweiten Kaiserreichs“ vereint architektonische Zitate verschiedener berühmter europäischer Bauwerke. Diese Referenzen sind ein klares Zeugnis für das erwachte Bestreben des Bauherrn.

Für den Bau und die Fertigstellung der Villa beauftragte August Lentz die renommiertesten lokalen und Berliner Baufirmen sowie Künstler und Handwerker, die eine einzigartige architektonische Kreation schufen, die eine klare Demonstration der Stellung und des Reichtums ihrer Eigentümer und gleichzeitig ein intimer Raum für das Familienleben war.

August Lentz genoss Reize seiner Residenz in Stettin nicht lange. Er verstarb plötzlich am 10. Mai 1895, nur fünf Jahre nachdem er die Villa, die sein Lebenswerk war, bezogen hatte. Zu diesem Zeitpunkt lebte er bereits dauerhaft in Berlin, wo er sein Geschäft auf den Weltmarkt expandierte.

Schatzkammer der Kunst
Im Februar 1899 ging die Villa laut Testament von August Lentz in den Besitz seiner Tochter Margarete Tegeder über, die mit dem Berliner Musiker und Rentner Georg Tegeder verheiratet war. Doch schon im Mai 1899 verkaufte das Ehepaar, das dauerhaft in Berlin lebte, die Villa in Westend an den Stettiner Kaufmann Romanus Conrad. Nach dem Konkurs des letzteren, im Jahre 1906, erwarben sie die Villa schnell wieder.

Ein neues Kapitel in der Geschichte der Villa begann im November 1911, als das Anwesen Wilhelm Doering (1869-1935) erwarb, der Getreidehändler und Besitzer der Zementwerke Mercur AG in Jatznick bei Greifswald. Im Jahr 1912 modernisierte er das Innere der Villa, indem er ein modernes Bad, eine Zentralheizung und weitere technische Neuerungen, darunter einen Zentralstaubsauger, einbaute. Im Keller der Villa ließ er einen Tresor einrichten. Der geheime Raum diente zur Sicherung, neben Wertsachen, wohl auch zahlreicher Kunstwerke, die aufgrund der Sammelleidenschaft Doerings die Innenräume der Villa füllen. Doerings Sammlung umfasste Gemälde deutscher Künstler aus dem späten 19. und dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, Skulpturen und Drucke. Dank der Großzügigkeit des Sammlers und seiner Frau Frieda geb. Steckling gelangten 1925 die wertvollsten Gemälde der zeitgenössischen deutschen Avantgarde in die Sammlungen des Stadtmuseums in Stettin.

Historische Wende
1935 verpachtete und dann verkaufte die Witwe Frieda Döring die Villa an die Stadt, die sie ihrerseits an die NSDAP und später an die Wehrmacht vermietete. Im Dezember 1939 wird im Keller ein Luftschutzkeller aus Beton eingerichtet. Während des Krieges wurde das Gebäude durch das Luftgau-Nachrichten-Regiment 3 genutzt. Bei den alliierten Bombenangriffen auf Stettin entgeht die Villa Lentz glücklicherweise der Zerstörung.

Am 26. April 1945 wird Stettin von der Roten Armee besetzt und am 30. April weht die polnische Fahne auf der Hakenterrasse, am Gebäude des Regierungsbezirkes, das von den polnischen Behörden unter der Führung des Regierungsbevollmächtigten und ersten Bürgermeisters der Stadt, Piotr Zaremba, besetzt wurde. Nach einer kurzen Zeit der Unsicherheit wurde die Stadt am 5. Juli 1945 offiziell in den polnischen Staat eingegliedert. Dies war das definitive Ende des deutschen Stettins. Die Villa wird aber immer noch vom Militär genutzt – diesmal von den Sowjets.

Im Jahr 1947 wurde die Villa in der Allee Wojska Polskiego 84, nachdem sie von den sowjetischen Soldaten verlassen worden war, von der römisch-katholischen Kirche übernommen. Das Gebäude wurde zum Sitz der pastoralen Stelle und der apostolischen Verwaltungsdelegation in Gorzów Wielkopolski und sollte zur Keimzelle der Kurie der zukünftigen Stettiner Diözese werden. Die repräsentative Villa sollte künftig als Bischofspalast dienen. Zeitweilig aber wohnen hier die Katecheten der Stettiner Mittelschulen, die Priester Karol Rusek und Julian Janas.

„Jugendpalast”
Zur Jahreswende 1949/1950 mussten die Priester das Gebäude verlassen und die staatlichen Behörden übergaben es der Gesellschaft der Kinderfreunde (Towarzystwo Przyjaciół Dzieci), damit hier nach der Renovierung der Jugendpalast (Pałac Młodzieży) eröffnet werden konnte – „eine Einrichtung der Erziehung und außerschulischen Bildung“. Die Eröffnungsfeier fand am 7. November 1950, am Jahrestag der Oktoberrevolution, statt. Trotz allgegenwärtiger Indoktrination bleibt der Jugendpalast vielen Stettinerinnen und Stettinern als ein Ort in Erinnerung, an dem sie ihre Talente entfalten konnten. In der Villa (heute Pavillon I der Einrichtung) befanden sich zahlreiche Ateliers, meist mit künstlerischem Profil. Später wird die Villa zum Schauplatz verschiedener künstlerischer Aktivitäten, die nicht direkt mit dem Tätigkeitsprofil des Jugendpalastes zusammenhängen.

Neue Eröffnung
Im Jahre 2008 endet definitiv die Tätigkeit des Jugendpalastes in den Gemäuern der Villa Lentz. Es ist eine Zeit, in der man das enorme Potential des Baudenkmals bei der bewussten Erweckung der Stettiner Kulturbestrebungen erkennt. Für eine kurze Zeit funktioniert hier das Projekt „Baltischer Kulturhafen“, das die Villa in weite Gewässer der internationalen kulturellen Zusammenarbeit führen sollte, und dann die Kulturinstitution „Szczecin 2016“, die die Bewerbung der Stadt um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt vorbereitete.

Ein wirklicher Durchbruch in der Bewirtschaftung der Villa erfolgt jedoch erst 2018-2019. Zu dieser Zeit führt die Stadt Szczecin mit einem Kostenaufwand von über 20 Millionen PLN eine umfassende konservatorische Sanierung des Gebäudes und des umgebenden Gartens durch. Die Renovierung umfasst nicht nur die Modernisierung des Gebäudes und die Anpassung der Innenräume für die Durchführung einer breiten Palette von kulturellen Aktivitäten. Der größte Wert wurde auf die sorgfältige Konservierung und Wiederherstellung der authentischen Atmosphäre der Fabrikantenresidenz aus der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts gelegt.

Der 1. Januar 2021 markiert den Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte der Villa Lentz. Die dort neu gegründete Kultureinrichtung zielt auf die kreative Interpretation der Geschichte und des Erbes des Ortes, der für die alte und moderne bürgerliche Kultur Szczecins einzigartig ist.

Autor: Michał Dębowski – Städtischer Denkmalpfleger
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